Frau sitzt hängend in einer Wendeltreppe vor rotem Hintergrund

Schlechtes Gewissen ohne Grund? Sechs typische Auslöser!

ZOYA und ein Leben ohne Schuldgefühle
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Inhaltsverzeichnis

Schuldgefühle ohne Schuld

Schuldgefühle sind tief in uns verankert. Bewusst oder unbewusst, subtil oder ganz explizit – sie sind nicht nur Teil deines individuellen Lebens, sondern Teil unserer Gesellschaft. Dass du dich schnell schuldig fühlst und sogar oft ohne erkennbaren Grund, ist also kein Wunder!

Im Kern hat diese allgemeine Akzeptanz von Schuldgefühlen nur ein Ziel: Menschen mögen sich doch anpassen. Woran genau, entscheidet das jeweilige Umfeld mit seinen Normen. Die Idee dahinter: Schuldgefühle sind so unangenehm, da tun alle lieber nur noch „das Richtige“.

Das funktioniert nicht und ist außerdem ein ganz schön mieses Konzept. Schließlich bist allein du es, die*der entscheiden sollte, was du „Richtiges“ tust und was nicht, oder? Nicht die Kirche, deine Eltern, deine Partnerin oder die Frau, die dich an der Kasse böse angeguckt hat…

Graffiti einer geöffneten Hand auf der ein schreiender Mund abgebildet ist

Schuldgefühle haben einen Grund

Schuldgefühle ohne Grund gibt es nicht. Wohl aber überflüssige.

Der Grund der Schuldgefühle liegt in ihrer Funktion. Wir glauben, wenn auch unbewusst, ein schlechtes Gewissen sei besser oder sicherer als uns unschuldig zu fühlen.

Was würde passieren, wenn du kein schlechtes Gewissen hättest? Welche Assoziationen, Gefühle, Empfindungen, Gedanken tauchen als Antwort in dir auf? Das sind Spuren, denen du folgen kannst, um dir selbst auf die Schliche zu kommen.

Im folgenden findest du verschiedene mögliche Funktionen, die hinter Schuldgefühlen liegen könnten. Manche dieser Funktionen waren vielleicht mal wichtig in deinem Leben oder sind es immer noch. Vielleicht ist das schlechte Gewissen nach vielen schwierigen Erfahrungen auch Gewohnheit geworden.

Hast du ständig ein schlechtes Gewissen? Dann lies doch auch mal in diesen Artikel rein: "So wirken deine ständigen Schuldgefühle".

Ich stelle dir jetzt sechs typische Auslöser für Schuldgefühle vor. Auch wenn du im Moment keinen Zusammenhang findest – vielleicht kannst du dich an entsprechende Situationen erinnern, in denen du ein schlechtes Gewissen hattest? Waren das Situationen, die bis ins Hier und Jetzt hinein wirken?

Achte beim Lesen mal besonders auf deine Körperempfindungen: je mehr Reaktion du bemerkst, desto relevanter könnte dieser Punkt für dich sein. Von dort aus kannst du weiterforschen, dich beobachten und besser kennenlernen. Viel Erfolg!

Schuldgefühl-Nr. 1: Verantwortung

Du hättest etwas anders machen können – und das hätte etwas an einer problematischen Situation geändert.

Warum hat das Leben keine Zurück-Taste? Das ist der typische Mindfuck.

Sieh genauer hin: Welchem Impuls bist du nachgegangen und welchem nicht? Du wählst dein Verhalten! Und zwar das, was dir geeignet erscheint für eine Situation. Deine Perspektive bestimmt, was dir als geeignet erscheint.

Welche Perspektive hast du eingenommen? So gesehen war es die beste Entscheidung, die du treffen konntest.

Noch einmal: Wir tun das Beste, was wir in dem Moment aus unserer Perspektive tun können. Das muss für andere Personen weder nachvollziehbar noch angemessen sein. Und für uns im Nachhinein auch nicht!

Welche Perspektive möchtest du einnehmen? Wie kannst du die Situation beschreiben, wenn Schuld keine Möglichkeit ist?

Schuldgefühl-Nr. 2: Ohnmacht

Egal, was du getan hättest – es hätte nichts an der problematischen Situation geändert.

Typisch sind Schuldgefühle z. B. in Situationen in denen andere Menschen gestorben sind, während du selbst überlebt hast. Vor allem zu beobachten bei Kriegen, Katastrophen, wenn ein Zwilling gestorben ist etc..

Es reichen aber auch von außen weniger „spektakuläre“ Situationen, z. B. wenn eine Kollegin Ärger bekommt.

Schmerz und Ohnmacht scheinen bedeckt mit Schuldgefühlen einfacherer zu ertragen. Aber das ist ein Trugschluss. Du bist stark genug zu fühlen, was du fühlst, auch wenn das erstmal Übung kostet.

Tief atmen. Spüre deine Füße auf dem Boden.

Schuldgefühl-Nr. 3: Vorwürfe

Jemand gibt dir die Schuld für etwas – und du stimmst zu.

Meistens ist etwas in uns sofort bereit, sich der Meinung anderer über uns anzuschließen. Vor allem bei einem Machtgefälle, wie z. B. von Eltern zu Kind, Lehrer*in zu Schüler*in, Chef*in zu Mitarbeiter*in.

Glaubst du das wirklich, was andere dir über dich vermitteln? Du alleine entscheidest das.

Dass jemand uns schuldig spricht, kann implizit und explizit geschehen. Manchmal verstehen wir Aussagen oder das Verhalten einer Person auch nur so als ob. Die Folgen sind dieselben: deine Schuldgefühle begleiten dich, oft sehr lang - vor allem, wenn dir das in der Kindheit passiert ist.

Ausgenutzt wird das nicht nur in toxischen Beziehungen oder destruktiven Gruppen – oft werden Schuldgefühle auch als gewöhnliche Erziehungsmaßnahme benutzt: „Mama macht es traurig, wenn du dein Zimmer nicht aufräumst“. Später sagen wir zu unserer*m Partner*in: „Wenn du mich lieben würdest, würdest du mehr im Haushalt machen“. Das nichts weiter als emotionale Erpressung. Niemand ist auf der Welt, um andere zufrieden zu stellen. Auch du nicht.

Wie möchtest du Beziehungen leben? Wie möchtest du mit dir selbst umgehen? Was ist dein Bild der Welt?

Person hält Zeigefinger von oben an die Kehle eines Kindes und scheint es damit niederzudrücken

Schuldgefühl-Nr. 4: Übernahme

Du übernimmst die Schuld(gefühle) einer anderen Person.

Das entsteht oft in Eltern-Kind-Verbindungen. Wenn z. B. ein Elternteil Menschen getötet hat. Die Nachkommen leiden oft unter (diffusen) Schuldgefühle, deren Ursprung zunächst schlecht erklärbar ist. Wir können das in Deutschland z. B. bezüglich Verbrechen aus dem Dritten Reich beobachten. Schuldgefühle wandern so durch Generationen.

Aber du musst ein schlechtes Gewissen nicht weiterführen. Gerade wenn schreckliche Dinge geschehen sind, braucht die Welt deine Präsenz, dein Mitgefühl, deine Energie und deine Kreativität. Nicht deine Schuldgefühle.

Schuldgefühl-Nr. 5: Innerer Kampf

Du hast Schuldgefühle dir selbst gegenüber.

Auch dir selbst gegenüber, kannst du ein schlechtes Gewissen haben. Z. B. wenn du etwas verändern willst, es dir aber nicht gelingt:

Zwei verschiedenen Anteile in dir streiten, nennen wir sie Hildegard und Roland. Hildegard möchte weniger netflixen. Roland sagt: „diese eine Folge noch, komm schon“. Siehst du sie dir an, hast du einen inneren Konflikt und fühlst dich schuldig gegenüber Hildegard. Das gleiche funktioniert natürlich auch gegenüber Personen in deiner Umgebung.

Wie gesagt: wir machen etwas, weil wir einen guten Grund dafür haben. Was ist deiner? Rebellion, Genuss, Freiheit, Entspannung? Schuldgefühle ändern unsere guten Gründe nicht.

Welche Perspektive möchtest du einnehmen? Welchen inneren Stimmen glaubst du? Wie möchtest du mit dir umgehen?

 

Schuldgefühl-Nr. 6: Deine Existenz

Egal, was passiert – Schuldgefühle sind in dein Selbstbild übergegangen.

Schuldgefühle beziehen sich zunächst auf bestimmtes Verhalten. Je häufiger du aber dein schlechtes Gewissen trainierst, desto mehr verankert sich das in deinem Selbstbild. Du verlierst den Bezug zu etwas in dir, das dich als nicht schuldig empfindet. Aus „ich fühle mich schuldig, weil ich etwas getan oder gelassen habe‘‚ wird „ich bin schuldig, weil ich existiere; mir steht nichts Gutes zu“.

Typisch dafür: sich ständig mehr oder minder schlecht, verurteilt, störend, unerwünscht und verpflichtet fühlen. Mit allem geht ein schlechtes Gewissen einher. Spezielle Auslöser oder Gründe dafür sind immer weniger nachvollziehbar. Vielmehr begleitet dich dann diffuser Schuldschleier.

Frau hält sich weißen Schleier vor das Gesicht

Jetzt kennst du typische Konstellationen, die es Schuldgefühlen besonders leicht machen sich auszubreiten. Aber wie äußert sich dein schlechtes Gewissen in deinem Leben ganz genau?

So prüfst du, was dein schlechtes Gewissen auslöst

Auch wenn deine Schuldgefühle dich automatisch verfolgen: du kannst lernen, sie zu erkennen, zu dekonstruieren und sie gehen zu lassen! Beginne sie zu durchschauen. Das ist eine Aufgabe für deine*n innere*n Detektiv*in.

Damit du sie besser verstehst, führe am besten eine Zeit lang ein Schuldgefühle-Notizbuch. Wir alle haben ein bestimmtes inneres Muster, das unser schlechtes Gewissen ausdrückt. Was ist deines?

Es geht nicht darum komplexe, analytische Konstrukte zu bilden! Zerdenke es nicht, es geht nur darum dir selbst und deinen Automatismen auf die Spur zu kommen: Spielt das Thema Schuldgefühle für mich genau jetzt und genau für diese Situation eine Rolle? Und was spüre ich dabei?

Und dann kannst du dich der wichtigsten Frage zuwenden: Was kannst du diesem Mix an Gefühle und Gedanken entgegenhalten? Du bist stark. Du kannst ihm etwas entgegenhalten. Was ist es?