Frau steht am Meeresufer mit Surfboard im Arm

Wie du durch Lernen dein Selbstvertrauen stärkst

ZOYA und die Chancen
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Inhaltsverzeichnis

Kannst du das?

Eine Aufgabe für dich: Merke dir die nachfolgenden Ziffern in der richtigen Reihenfolge. Du hast 30 Sekunden. Los geht’s:
 

0 9 8 3 4 8 1 7 8 3 4 1 9 0 3 5
8 7 1 3 5 8 7 1 3 9 4 5 8 7 1 3
9 8 5 7 2 7 6 6 1 5 6 2 4 5 3 1
0 8 9 7 4 5 6 7 2 5 8 4 9 2
 

Ok, das war nicht ganz fair…du heißt ja nicht Wei Qinru. Dann hieltest du nämlich den aktuellen Weltrekord in dieser Disziplin und könntest das!

Durch Training mit den richtigen Techniken wärst aber auch du Konkurrenz für sie. Beeindruckende Vorstellung, oder?

Aber naja – wozu eigentlich? Telefonnummern kann man sich ins Handy speichern und die Freizeit auch anders verbringen…aber mit was? Netflix? Oder Instagram? Oder Shoppen?

Oder?

Zwei Frauen sitzen nebeneinander und sehen begeistert in ihr Handy

Unterforderung schadet uns

Wie wir das Selbstvertrauen verlieren

Wir unterschätzen unsere Fähigkeiten maßlos.

Wenn wir auf die Welt kommen, lernen wir 24 Stunden am Tag. Begeistert. Niemand sagt uns, dass wir jetzt noch Laufen üben müssen. Wir tun es, weil wir es können wollen. Wir sind auf der ständigen Suche danach, uns neu zu erfahren und zu erleben.

Es muss viel passieren, damit wir diese Suche einstellen und uns mit einem „bequemen Leben“ abfinden. Täglich Stunden konsumierend und passiv zu verbringen, gelingt uns nur, indem wir uns selbst unterdrücken – aus Überzeugung.

Spätestens in der Schule erfahren wir: es gibt Dinge, die „können wir halt nicht“. Das hat dann scheinbar auch immer einen Grund: z. B. sind wir zu langsam. Oder nicht so begabt. Oder wir haben nicht den passenden Körper, nicht das passende Geschlecht oder nicht den passenden familiären Hintergrund. Was wir nicht können, „liegt uns eben nicht“.

Daraus entstehen dann Bereiche, in denen wir später „echt nicht verstehen, wie das geht“. Das ist was für die Anderen. So ist das dann und bleibt auch so.

Junges Mädchen hält sich an Klettergerüst fest und guckt ernst

Es sei denn, wir wagen es, unseren Glaubenssätzen mal nicht zu glauben.

Was kannst du „so gar nicht“? Stimmt das wirklich?

Bei dieser Frage fallen uns sofort diverse Argumente ein. Dafür, dass wir es jetzt nicht können und dass wir es auch nicht lernen werden. Das ist gewöhnlich und nachvollziehbar. Schließlich geht es um unser Selbstbild.

Wir zählen auf, in welchen Situationen wir gescheitert sind. Und dass auch unsere Eltern, Freund*innen und Partner*innen das schon bestätigt haben. Und außerdem kann man das „einfach wirklich nicht“. Das scheint dann die einzig mögliche Wahrheit zu sein.

Ist sie aber nicht.

Wo einmal Erfahrungen gemacht worden sind, können andere Erfahrungen gemacht werden. Und Urteile anderer Personen sind Meinungen. Du kannst ihnen folgen – oder auch nicht. Genauso, wie deinem eigenen Urteil!

Es geht nicht darum, Weltrekorde aufstellen zu müssen. Aber darum, dich selbst zu überraschen. Mit etwas, dass du dir selbst nie zugetraut hättest. Das macht dich nämlich nicht nur stolz, sondern auch frei! Denn diese neuen Erfahrungen, steigern dein Selbstvertrauen: Sie verändern dein Selbstbild.

Du bist stark und für ein lebendiges Leben gemacht.

Wie sehr, zeigt schon dein geniales Gehirn:

Das Gehirn ist flexibel – Neuroplastizität

Bis Mitte des letzten Jahrhunderts dachte man noch, nach der Jugend würde das Gehirn stetig seine kognitiven Fähigkeiten verlieren. Das stimmt nicht. Es ist dynamisch und verändert sich ständig. Auch im Alter passt es sich noch an: je nachdem, was in und um uns herum passiert – und wie wir unsere Möglichkeiten nutzen (s. Quelle 1.).

Dieses Phänomen nennt man Neuroplastizität. Die Veränderung ist zwar in einigen Gehirnarealen und bei Kindern besonders stark. Aber selbst die schwindende Gehirnsubstanz im Alter wird erfolgreich kompensiert: das Gehirn baut sich effizient um und erhält so wichtige kognitive Funktionen (s. Quelle 2.).

Mit bildgebenden Verfahren kann man diese plastischen Veränderungen erkennen; besonders beeindruckend z. B. auf Bildern von Profimusiker*innen. Je nach Instrument vergrößert das Gehirn die benötigten Bereiche.

Frau in edlem Kleid sitzt barfuss mit Gitarre auf einem Stuhl in einem Musikstudio

Bei uns funktioniert das genauso, wenn wir z. B. Jonglieren lernen. Die Netzwerkstruktur wird umgebaut und durch viel Übung werden nötige Prozesse optimiert. Wenn alles effizient genug funktioniert, ändert das Gehirn den Modus: der Ablauf wird ins Unbewusste geschoben. Zuerst konzentrieren wir uns noch angestrengt auf die Bälle – während sie uns trotzdem dauernd aus den Händen fallen. Mit viel Übung können wir irgendwann gleichzeitig komplizierte Diskussionen führen.

Das bedeutet: Lernen ist immer möglich!

Und nachdem du die Schule verlassen hast, wird es übrigens auch besonders wichtig:

Warum wir Verantwortung für unsere Intelligenz haben

Bei der Forschung zu unseren kognitiven Fähigkeiten, wird oft zwischen fluider und kristalliner Intelligenz unterschieden.
 

  1. Fluide Intelligenz zeigt sich beim Lösen neuer und komplexer Probleme, im logischen und abstrakten Denken und hilft beim Wissenserwerb. Hier spielen genetische Faktoren eine große Rolle.

    Dazu gehört auch die kognitive Flexibilität. Das ist ein Faktor der unsere Anpassungsfähigkeit beschreibt. Wie der Begriff schon sagt, macht sie uns geistig beweglich. Wir können uns auf Neues schnell einstellen und die Perspektive wechseln. Dank ihr können wir Personen und Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und dazwischen wechseln (s. Quelle 4.).
     
  2. Kristalline Intelligenz umfasst das erworbene Wissen, wie Faktenwissen, Erfahrungen, jede Art von Bildung und dessen Anwendung. Mit dazu zählt auch soziale Kompetenz.


Beide Arten von Intelligenz beeinflussen sich gegenseitig. Je mehr von beidem, desto umfangreicher sind unsere kognitiven Fähigkeiten ausgebaut.

Leider hat aber die fluide Intelligenz schon ca. im 22. Lebensjahr ihren Höhepunkt. Sie steigt dann nicht mehr und nimmt stetig ab. Es scheint auch nicht möglich zu sein, sie danach noch zu trainieren. Obwohl viel daran geforscht wird, sind die Ergebnisse eher ernüchternd (s. Quelle 3.).

Kristalle vor dunklem Hintergrund

Die gute Nachricht: Die kristalline Intelligenz nimmt bis ins hohe Alter stetig zu! Sie kann man trainieren – dank Neuroplastizität. Mit ihr können wir dann auch etwaige Nachteile fehlender fluider Intelligenz ausgleichen. Sie ist gewissermaßen unser Joker: Selbst wenn wir keine überragenden Gene und perfekte Förderung in jungen Jahren erhalten haben, können wir das meiste trotzdem lernen.

Und wenn wir unser Leben lange genießen wollen, sollten wir das viel und facettenreich tun. Verändert sich nämlich unser Gehirn pathologisch, z. B. durch Demenz, stößt es auf dieser Basis besonders aktiv Umstrukturierungsprozesse an. So vermindert es den kognitiven Leistungsabfall. Das nennt man kognitive Reserve (s. Quelle 5.).

Besonders positiven Einfluss darauf haben:

  • lebenslange Bildung und Ausbildung,
  • komplexe Anforderung im Beruf,
  • sozioökonomischer Status,
  • Gesundheitsfürsorge,
  • kognitive Aktivierung in der Freizeit,
  • Aktivierung durch das Lebensumfeld,
  • aerobe Bewegung.

Fazit: sorge gut für dich und fordere dich heraus!

Junge Frau sitzt in Café und führt weiße Tasse an ihren Mund

Was machst du? Leben ist lernen!

Wann hast du dich das letzte Mal herausgefordert?

Hier ein paar Fragen, damit du ein Gefühl dafür bekommst:

  • Lernst und übst du jeden Tag etwas Neues ? Z. B. Gitarre spielen, Thailändisch sprechen oder Walzer tanzen?
  • Fordert dich dein Beruf angemessen? Mit unterschiedlichen und komplexen Aufgaben und Fortbildungen?
  • Sorgst du gut für dich? Indem du dich für dich selbst einsetzt, z. B. für einen guten Job mit genug Geld?
  • Kümmerst du dich um deine Gesundheit? Z. B. mit hochwertiger Nahrung und ausreichend Schlaf?
  • Wie abwechslungsreich und aktiv verbringst du deine Freizeit? Z. B. damit, was dich immer schon interessiert hat?
  • Wie divers ist dein Lebensumfeld? Hast du Kontakt mit Menschen in unterschiedlichem Alter und mit vielfältigen Interessen, Erfahrungen und Meinungen?
  • Bewegst du dich? Von z. B. Karate bis Spazierengehen?

Drei wichtige Tipps für mehr Selbstvertrauen durch Lernen

Lernen kannst du also! Jetzt ist es an dir.

Aber wie kannst du anfangen? Und wie geht das überhaupt?

Suche deine Glaubenssätze

Beginne dich selbst zu beobachten:

  • Wo in deinem Selbstbild findest du Überzeugungen, über dein Nicht-Können?

    Typische Gedanken und Sätze sind: „das kann ich nicht“, „typisch für mich, das ist meine Schwäche“, „das ist zu kompliziert, um es zu verstehen“, „um das zu verstehen, müsste man ja so viel wissen – da brauche ich gar nicht anfangen“, „ich verstehe eh nicht wie das geht“, „ich habe ja nicht studiert / eine bestimmte Ausbildung gemacht / eine bestimmte Schule besucht“, „meine Eltern konnten das auch nie“, „damit bin ich nicht aufgewachsen“.
     
  • Welche Themen vermeidest du? Interessieren sie dich wirklich nicht? Oder glaubst du nur, du kannst dich darin nicht zurechtfinden?

Bewege dich

Mach irgendetwas. Steh auf, spring in deinem Zimmer herum. Schwimmen, Yoga, tanzen, Volleyball spielen, Tai Chi. Nimm die Treppe, stehe mindestens alle dreißig Minuten auf und strecke dich.

Richte dich nicht in einem zu langweiligen Leben ein – das ist der zuverlässigste Weg unzufrieden, unerfüllt und müde zu bleiben.

Vergleiche dich nur mit dir selbst

Jeder Vergleich ist riskant. Denn wir sind so daran gewöhnt, aus einem Vergleich auf unseren persönlichen Wert zu schließen. Auch wenn es uns ganz oberflächlich und sachlich erscheint.

Lass es lieber und beschäftige dich zu einem anderen Zeitpunkt und achtsam mit den Motiven für deine Vergleiche. Sonst machst du deine aufkeimende Neugier und Offenheit direkt wieder zunichte. Es geht um den Genuss des Lebendigseins und nicht um besser oder schlechter.

Vergleiche dich nur mit dir selbst. Was konntest du letzte Woche noch nicht? Oder vor einem Jahr? Es ist egal, dass deine Freundin den Marathon schneller gelaufen ist.

Jetzt geht’s los – lernen für dich!

Noch eine Anmerkung zum Schluss: Wenn du Neues lernst, kann es gut sein, dass du mit Gefühlen von Hilflosigkeit und Überforderung zu tun hast. Das ist gewöhnlich und du kannst durch diese Gefühle hindurch gehen.

Und: Lass dir Zeit. Dein Gehirn braucht Zeit für seinen Umbau – auch dafür, Überforderung zu Herausforderung werden zu lassen! Nichts-Tun ist ein wunderbarer Ausgleich.

Und jetzt los, spielen!

  • Zu welchem Thema hast du noch nie ein Hörbuch gehört?
  • Die Perspektive welcher Personen hast du noch nie eingenommen?
  • In welchem Wald in deiner Nähe warst du noch nie?
  • Über welche Themen hast du dich noch nie mit deiner*m Partner*in oder Freund*in unterhalten?
  • Wie lange kannst du auf einem Bein stehen und in den Himmel gucken?

Was wirst du als Erstes ausprobieren?

Quellen

Hier kannst du dich tiefergehend informieren:

  1. Meyer, Martin / Mayorova, Elena: Kognitive Reserve, Lernen im Alter, Wirtschaftspsychologie aktuell, 3/2014.
  2. Westphal, Stefanie: Effekte eines Arbeitsgedächtnistrainings auf fluide Intelligenz und weitere kognitive Funktionen im jungen und höheren Erwachsenenalter, Dissertation, 2020.
  3. Neufeld, Alena: Vergleich der Leistungsveränderungen kognitiver und nicht-kognitiver Domänen nach einem multimodularen Gedächtnistraining bei Patienten mit amnestischer leichter kognitiver Störung, Dissertation, 2016.
  4. Steding, Julius / Holthoff-Detto, Vjera: Kognitive Reserve und Potenzial im Alter, DNP - Der Neurologe und Psychiater, 6/2016.