Verschieden große Steine aufeinandergestapelt vor grünem Hintergrund

Was bedeutet Konstruktivismus?

ZOYA und die praktische Theorie
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Inhaltsverzeichnis

Realität ist, was du daraus machst

Zeitreise! Es ist 2015. Neben Katastrophen wie dem Anschlag auf Charie Hebdo oder russischen Raketen in der Ukraine beschäftigt die Welt eine vermeintlich oberflächliche Frage: Welche Farbe hat das Kleid?

Vermeintlich, nicht weil die Antwort irgendwie relevant wäre. Vermeintlich, weil die Frage ganz fantastisch eines zeigt: alle haben ihre eigene Realität. Und das geht weit, weit, weit über weiß-gold oder blau-schwarz hinaus. Es betrifft unseren gesamten Blick – in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Auf uns selbst, unsere Identität, Kultur und die aller anderen Lebewesen.

„Natürlich, ist das weiß-gold“ kannst du beliebig austauschen: z. B. mit „nee, ich kann das wirklich nicht“. Oder „ich darf keine Fehler machen“. Alles, was du denkst oder fühlst sind deine Annahmen über die Welt. Deine Welt!

Und diese Erkenntnis wiederum ist lebensverändernd. Sie eröffnet unendliche Möglichkeiten. Denn wenn ich selbst etwas erschaffe – dann kann ich da doch auch irgendetwas anders machen, oder? Und ja, meistens geht das!

Konstruktivistische Ansätze berücksichtigen das und beschäftigen sich damit. Darum mag ich sie so. Hier liest du,

  • wodurch unsere Realität zu unserer Realität wird und
  • was eine konstruktivistische Haltung in Beratung, wie Coaching oder Mentoring mit deiner Freiheit zu tun hat.

Hinweis: Falls du schon mit solchen Überlegungen vertraut bist, noch ein Hinweis, damit du meine Position besser einordnen kannst: Der Konstruktivismus, der mich interessiert, ist nicht solipsistisch. Das heißt, ich gehe nicht davon aus, dass es gar keine Realität gäbe. Aber ich glaube, dass wir uns ihr immer nur annähern können und niemals die berechtigte Hoheit haben zu sagen: das ist sie, die einzig wahre Wahrheit für alle.

Ok, los geht’s:

Graffitti des Portraits einer schwarzen Frau mit bunt gestreiften und gemusterten Haaren neben dem Satz Love is Color

Die Entstehung deiner Wirklichkeit

Unvollständige Wahrnehmung

Was wir für wirklich halten, ist also unser Werk. Aber wie entsteht das eigentlich?

In erster Linie konstruieren wir unsere Realität durch unsere Sinnesorgane und unser Gehirn.

Unsere Sinnesorgane vermitteln uns Sinneseindrücken – sie nehmen aber schon mal nicht alles auf. Wir können z. B. leider die Unterhaltung zwischen Fledermäusen in Ultraschall-Frequenz nicht hören. Oder wusstest du das das langweilig aussehende Schnabeltier-Fell in den schönsten Farben biofluoresziert?

Das heißt, es kommt schon mal gar nicht alles bei uns an. Dann hat unser Gehirn außerdem seinen eigenen Plan. Es wählt aus und ergänzt zum Teil selbständig (!), was mittels der Sinne bei uns ankommt. Das kannst du z. B. bei optischen Täuschungen erleben.

Gewählte Aufmerksamkeit

Weiter geht’s damit, dass wir z. B. einfach mal nicht sehen, was unser Gehirn nicht für relevant hält. Das kannst du selbst testen: Du siehst dir ein Video an, in dem sich Menschen einen Basketball zuwerfen. Deine Aufgabe ist zu zählen, wie oft ein Pass zustande kommt.

Fertig? Solltest du nichts Auffälliges bemerkt haben, sieh dir das Video nochmal an. Deine Aufgabe: zähle die Gorillas….

Diese Aufgabe wurde im Rahmen einer sehr berühmten Studie (s. Quelle 1. ) gestellt. Sie zeigt eindrücklich, wie präzise wir ausblenden, was wir gerade nicht fokussieren wollen – bewusst oder unbewusst.

Realität – Kleiner Gorilla liegt auf dem Boden und sieht in die Kamera

Im Laufe unseres Lebens erstellen wir durch solche Prozesse in unserem Inneren Informationen über uns und die Welt. Nach und nach ordnen wir sie auf eine bestimmte Weise an. Unsere Sicht auf unsere Handlungen und die Welt entsteht. Und vielleicht liest du diese Worte heute, weil du genau mit dieser Sicht nicht weiter kommst.

Konstruktivistische Ansätze im Coaching

Lösungen bleiben bei dir

Wie gut, dass wir alle unsere eigene Sicht haben – denn dann kann ich z. B. zu dir sagen: „hast du schon mal probiert deine Füße zu massieren, während du das denkst?“. Wahrscheinlich hast du das nicht und das ist der erste Schritt: neue Impulse mit neuen Ideen aus deiner Umwelt. Sie regen dein Gehirn und deinen Körper an, neu zu konstruieren, Brücken zu bauen, andere Zusammenhänge zu denken, fühlen und spüren. Im systemischen Kontext nennt man das: ein System irritieren.

Und das ist die Lösung? Naja, das ist die Möglichkeit, der Lösung nicht mehr länger im Weg zu stehen, die in dir schlummert. Damit sie sich zeigen und entfalten kann. Das ist deine Aufgabe. Denn wie gesagt, nur du bist du. Dein Bruder, deine Chefin und ich sehen die Welt anders. Das heißt auch: nur du selbst kannst prüfen und entscheiden, ob etwas für dich geeignet ist oder nicht. Passende Lösungen sind so einzigartig wie wir.

Blick von oben auf Fußgänger deren Schatten durch seitliche Sonne riesig wirkt

Typische Fragen für deine Realität

Nochmal zu Erinnerung: Kein Lebewesen kann die Wirklichkeit jemals vollständig und unabhängig von sich selbst wahrnehmen. Daher lohnen sich Fragen nicht, wie: „Was ist objektiv das Beste für mich?“. Wer soll das objektiv beantworten können? Genau, niemand.

Statt dessen frage dich z. B. mal:

  • Was hältst du für das Beste für dich?
  • Was möchtest du damit erreichen?
  • Gibt es noch andere Möglichkeiten?
  • Wie fühlt sich das in dir an?
  • Was spürst du in deinen Füßen?

So gesehenheißt das, dass du niemals falsch oder richtig mit einem Problem umgehen kannst. Stattdessen ist relevant, wie geeignet etwas für dein zugrundeliegendes Ziel ist.

Beurteilen kannst nur du das für dich. Und du weißt, wann dein Problem gelöst ist.

Quellen

  1. Du findest zahlreiches Material auf: http://www.theinvisiblegorilla.com/
  2. Von Schlippe, Arist / Schweitzer, Jochen: Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung I. Das Grundlagenwissen, 2016.

Weiter geht es mit…

Was systemisch bedeutet, erfährst du in Teil 1 dieser Serie. Und wusstest du, dass sich schon in Problemen eine Lösung zeigt? Lies mehr darüber in Teil 3 dieser Serie.

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Systemisch – ist das ein Schreibfehler? Spätestens die Autokorrektur deines Handys wird dich hart darauf hinweisen, dass es doch „systematisch“ heißen muss. Das wäre ja auch irgendwie logisch – Coaching, das sich an einer Systematik orientiert…

Die Lösung im Problem und versteckte Ressourcen
ZOYA und die praktische Theorie

Lösungsorientierung in ZOYA | Sessions bedeutet z. B., wir sehen uns erstmal an, was dein Problem eigentlich bereits für eine Lösung ist. Und dann sammeln wir nicht nur deine Ressourcen, sondern prüfen auch, ob sie nicht vielleicht manchmal überdosiert und unbalanciert sind.