Inhaltsverzeichnis
- Körperwahrnehmung ist der spürbare Zugang zu dir selbst
- Verschiedene Perspektiven auf Körperwahrnehmung
- Meine Definition von Körperwahrnehmung
- Sinneswahrnehmung
- Körperliche Wahrnehmung
- Körperempfindungen für deine Balance
- Körperwahrnehmung verstehen
- Individuelle Körperwahrnehmung
- Ursachen für Körperempfindungen
- Körperwahrnehmung, Emotionen und Gedanken
- Dein Körper und deine Erfahrungen
- Körpererinnerungen und Emotionen
- Körperwahrnehmung verbessern
- Deinen Körper neu entdecken
- Körperwahrnehmung als Reise
- Häufige Fragen
Körperwahrnehmung ist der spürbare Zugang zu dir selbst
Ich wurde mal gefragt, ob mit Körperwahrnehmung zu arbeiten, „nicht irgendwie esoterisch“ wäre. Nein, ist es nicht.
Einen Körper hat jeder Mensch und ihn bewusst wahrzunehmen ist eigentlich nichts Besonderes – dafür aber umso wichtiger, denn:
Unsere Gefühle, Gedanken und Empfindungen entstehen im Zusammenspiel miteinander und im ganzen Körper.
Diese Gefühle, Gedanken und Empfindungen machen unser Erleben aus und dieses Erleben ist unser Leben.
Sich ohne den Körper mit Gedanken oder Gefühlen zu beschäftigen, heißt einen riesigen Teil auszuklammern. Vielleicht kennst du das, wenn du z. B. trotz „positivem Mindset“ oder Gesprächstherapie nicht weiterkommst und das Gefühl hast, dass da etwas fehlt: Ja, tut es!
Mein Fokus ist eine bewusste Körperwahrnehmung, um sich selbst besser zu verstehen, mit sich in Kontakt zu kommen und daraufhin das eigene Erleben und Verhalten bewusst neu auszurichten. Das ermöglicht dir eine Veränderung, die aus dir selbst heraus entsteht und sich an dich anpasst, statt von außen aufgezwungen zu werden.
Die Grundlage dafür ist es, dass du innere Zusammenhänge deines Erlebens besser nachvollziehen kannst. Dazu liest du in diesem Artikel:
- wie Körperwahrnehmung funktioniert und
- wie und wozu Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken zusammenwirken.
Beginnen wir von vorn: Was ist Körperwahrnehmung eigentlich?
Verschiedene Perspektiven auf Körperwahrnehmung
Vorab sei gesagt, dass Körperwahrnehmung Verschiedenes meinen kann:
- das unbewusste oder bewusste Verorten des Körpers im Raum und bei Bewegung (z. B. beim Fitnesstraining),
- die Wahrnehmung des Körpers hinsichtlich z. B. seiner Proportionen (wichtig z. B. bei der Therapie von Körperwahrnehmungsstörungen) oder
- das bewusste Lenken von Aufmerksamkeit auf bestimmte Körperempfindungen (wichtig z. B. in Körper(psycho)therapien oder bestimmten Meditationspraktiken).
Ich finde alle diese Aspekte wichtig und je feiner und genauer die Körperwahrnehmung insgesamt ausgeprägt ist, desto hilfreicher.
Im Folgenden geht es aber noch grundlegender und simpler, um die Fähigkeit mit deinem Körper, deinen Körper wahrzunehmen. Kennst du diese faszinierenden Vorgänge, kannst du dich gut allen weiteren Aspekten nähern.
Meine Definition von Körperwahrnehmung
Körperwahrnehmung ist hier: 1. jede Art von Informationsverarbeitung durch den Körper inklusive des Gehirns 2. bezogen auf den eigenen Körper 3. mithilfe der Sinnesorgane und weiterer körperinterner Sensoren (somatoviszeraler Sensibilität). Das bedeutet Folgendes:
Sinneswahrnehmung
Sehen, hören, riechen, schmecken sind die Sinne, die gewöhnlich auf deine Umgebung gerichtet sind. Mit ihnen nimmst du aber auch deinen Körper äußerlich wahr:
Beispiel: Du machst Yoga und bleibst einen Moment in der Vorbeuge. Dabei kannst du:
- deine Füße sehen,
- kannst hören, wie ein Wirbel in deiner Wirbelsäule sich klackend verschiebt,
- riechst deinen Schweiß und
- könntest ihn auch schmecken, wenn du deinen Arm ablecken würdest.
Dazu kommt ein weiterer Sinn: dein Tastsinn. Mit ihm kannst du deinen Körper gleichzeitig von außen und von innen wahrnehmen.
Beispiel: Du greifst mit deinen Händen fest um deine Fußgelenke. Dabei spürst du:
- mit deinen Händen deine Fußgelenke und
- mit deinen Fußgelenken deine Hände.
Damit kehrst du die Aufmerksamkeit nach innen und landest bei deiner somatoviszeralen Sensibilität:
Körperliche Wahrnehmung
Das heißt: wir nehmen auch körperlich-organisch wahr über
- Sensoren in der Haut (Mechanorezeption),
- Sensoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken (Propriozeption) und
- Sensoren im Gewebe (Thermorezeption) und in den inneren Organen (Viszerozeption).
Mit dem Tastsinn deiner Haut kannst du Druck, Berührung, Vibration und Kitzeln unterscheiden und bist damit oberflächensensibel.
Mit deinem Stellungs-, Bewegung- und Kraftsinn bist du tiefensensibel: du kannst deinen Körper im Raum, deine Bewegungen und den Kraftaufwand dafür einschätzen.
Viszeral sensibel macht dich dein Temperatursinn, der dich Kälte und Wärme spüren lässt – und außerdem deine inneren Organen, die dir mit verschiedensten Rezeptoren v. a. Auskunft über deine innere chemische Balance oder Schmerzen geben.
Körperempfindungen für deine Balance
Alles zusammen ermöglicht dir, in jeder Sekunde – gleichzeitig – unzählige Reize aus deiner Umwelt (Exterozeption) und deinem Inneren (Interozeption) zu empfangen.
Gleichzeitig ist dein Gehirn auch noch damit beschäftigt Vorhersagen darüber zu machen, was sensorisch wohl als nächstes passiert. Während alle Signale weitergeleitet, verarbeitet, verglichen und ausgewertet werden, entsteht eine mehr oder weniger bewussten Körperempfindung.
Irgendwo inmitten dieser komplexen Prozesse, kommt dir dann allmählich sowas in den Sinn wie: „ich glaube, ich sollte mal was trinken“. Damit sorgt dein Körper für mehr Flüssigkeit und damit für Allostase: also dafür, dass deine innere Balance gehalten bzw. wieder hergestellt wird.
Und deswegen wäre es dann auch ganz gut, wenn du tatsächlich was trinken würdest…😉
Körperwahrnehmung verstehen
Jetzt wissen wir schon mal: wir sind höchst sensibel, es laufen alle möglichen Prozesse in uns ab und daraus ergibt sich dann irgendeine Botschaft unseres Körpers. Was aber, wenn das, was wir da wahrnehmen irgendwie keinen Sinn macht:
- „Allen ist warm, aber ich friere. Wie kann das sein?“
- „Ich sitze gemütlich auf dem Sofa und mein Herz rast – warum?“
- usw.
Individuelle Körperwahrnehmung
Körperwahrnehmung entsteht mit deinem ganzen Körper – und jeder Körper hat ja ganz eigene individuelle Ausprägungen. Das führt dazu, dass du vielleicht schon deine Wollmütze anziehen willst, während dein Nachbar noch im T-Shirt rumläuft.
Traust du deiner eigenen Wahrnehmung nicht – weil: „das kann doch nicht sein“ – verbringst du am Ende frierend deinen Tag. So hat sich dein Körper mit seinen Thermorezeptoren und Vorhersagen zwar ins Zeug gelegt, aber genützt hat es nicht so viel…
Solche Unterschiede können aufgrund unterschiedlicher Hormone, entstehen, aus Gewohnheit oder Schlafmangel usw.: dein Körper ist Experte für deine innere Balance und behält im Zweifel recht.
Deine ganz persönliche Körperwahrnehmung zählt!
Und dann kann es auch sein, dass dir etwas richtig komisch vorkommt und du dir langsam Sorgen machst:
Ursachen für Körperempfindungen
Auch Symptome wie Schwäche, Schmerzen (oder sogar Halluzinationen) können durch offensichtliche Verletzungen oder Infektionen genauso entstehen wie z. B. durch einen starken Nährstoffmangel. Das ist zunächst überhaupt nicht nachvollziehbar…
Signale deines Körpers möchten dir immer etwas Bedeutungsvolles mitteilen! Und bevor du mit anstrengenden Symptomen verzweifelst, lass erstmal überprüfen,
- ob deine Schilddrüse in Balance ist,
- ob dein Immunsystem gerade viel zu tun hat,
- ob du z. B. genug Vitamin B12 oder Magnesium im Körper hast (davon können Müdigkeit oder Herzrasen nämlich genauso kommen wie z. B. von Stress)
- etc.
Nimm dich bitte selbst unbedingt ernst und gehe deiner Wahrnehmung auf den Grund!
Aber angenommen das tust du schon und eigentlich ist alles ok, aber du kommst trotzdem nicht gut klar. Sogar wenn du versuchst auf Körperempfindungen zu achten: die Botschaften deines Körpers sind dir ein Rätsel oder sie widersprechen sich. Irgendwie bist du ratlos, überfordert oder spürst vielleicht auch gar nichts.
Woran kann das liegen?
Körperwahrnehmung, Emotionen und Gedanken
Dein Körper und deine Erfahrungen
Wie gesagt, dein Körper ist immer auf deiner Seite. In Gefahrensituationen tut er alles dafür, dass du überlebst. Bist du in Sicherheit, kümmert er sich darum, dass das so bleibt und du dein Leben weiterhin möglichst gut verbringen kannst.
Das bedeutet aber auch, dass dein Körper alle Erfahrungen und Erinnerungen mit berücksichtigt.
Nehmen wir an, dein Magen und Darm melden, dass du innerlich langsam außer Balance gerätst. Sofort prüft dein Körper, ob es da schon mal eine ähnliche Situation und eine Lösung dafür gab. Und die gab es: „Essen“ war die passende Maßnahme.
Also formt dein Körper für dich die Botschaft „Hunger, bitte essen“. Damit du weißt, wie du diese Botschaft einsortieren sollst, packt er dazu gleich noch mehr Informationen: z. B. eine Emotion und vielleicht noch ein paar passende Erinnerungsbilder. Zu „Hunger, bitte essen“ kommt auch noch „Genuss, lecker, Freude“ und „Pizza vom Restaurant an der Ecke“. Und das landet dann in deinem Bewusstsein. 🍕
Körpererinnerungen und Emotionen
Je nachdem, was du für Erfahrungen gemacht hast und um was es geht, kommt aber nicht so eine freundliche, harmlose Botschaft bei dir an. Vielleicht hast du Erfahrungen gemacht,
- die sich völlig widersprechen,
- die erschreckend, überwältigend und gefährlich waren,
- die anstrengend und unangenehm waren,
- etc.
Und genau das schickt dir dein Körper auch als Emotions- und Erinnerungspaket wieder zu, sobald er auf eine innere Situation in deinem Inneren oder Äußeren trifft.
Um auf das Beispiel zurückzukommen: Deine Familie hat früher beim Essen vielleicht viel gestritten und dir war das unangenehm. Heute weiß dein Körper zwar, dass Essen ganz gut wäre, wenn dein Verdauungssystem sich entsprechend meldet.
Aber er weiß auch, dass das es dann schwierig werden könnte. Darum kriegst du heute so eine Botschaft wie „Hunger, bitte essen“ + „aufpassen, Alarmbereitschaft, jetzt wird es gleich unangenehm“ – und hast vielleicht gleichzeitig Hunger, dir wird übel und fühlst dich ängstlich.
Jede Botschaft, Körperempfindung und auch das Nicht-Spüren, macht nach einer inneren Körper-Logik irgendeinen Sinn!
Körperwahrnehmung verbessern
Deinen Körper neu entdecken
Beginnst du dich mit deinem Körper und Körperwahrnehmung zu beschäftigen, merkst du bald, dass aus diesem Grund erstmal alles mögliche in dein Bewusstsein kommt.
Wenn du in deinen Bauch hinein spürst, fühlst du dich vielleicht plötzlich traurig oder in deinen Schultern steckt ganz schön viel Wut.
An dieser Stelle beginnt eine Forschungsreise. Denn hier begibst du dich auf den Weg zu dir selbst. Du spürst, fühlst und betrachtest, was sich bisher so in dir angesammelt und mit verschiedenen Körperempfindungen verbunden hat.
Zuerst geht es nur darum, bewusst wahrzunehmen, was für Empfindungen auftauchen, welche Empfindungen sich wie anfühlen und was wie verknüpft ist. Und danach kannst du entscheiden, was sich bitte ändern soll.
Dazu brauchst du – vor allem in bisher schwierigen Situationen – bewusste, neue, andere Erfahrungen. Ein anderes inneres Erleben, andere innere Verbindungen. Und dafür kannst du sorgen. Ganz ohne zu wissen, warum und wieso genau das bisher so war und du musst dich auch an nichts erinnern. Es reicht, im Hier & Jetzt zu bleiben.
Du entwirrst dein inneres Geflecht, ordnest die Fäden neu und wenn du möchtest, webst du ein neues Netz, dass dich trägt und auffängt. Deine Körperwahrnehmung wird auch für dich diese innere Weisheit, die dich blitzschnell, zuverlässig und stets zu deinen Gunsten berät.
Das ist die Verbindung zu deinem Körper, eine neue stabile Beziehung, auf die du dich verlassen kannst.
Körperwahrnehmung als Reise
Du möchtest gleich starten? Dann stell dich mal hin und sieh mal, ob du deine Füße spüren kannst. Wenn das geht: was spürst du gerade? Nur ein kleiner Check-In, nichts Großes.
Und dann setz dich gemütlich hin und massiere beide Füße. Jeder Fuß bekommt eine Minute lang eine kräftige Massage von beiden Händen – mit Timer! Vergiss die Zehen nicht. 🦶
Und jetzt nochmal hinstellen: was spürst du?
Mach das das nächste Mal, wenn dir eine schwierige Situation bevorsteht – und sieh, was passiert…
Häufige Fragen
Quellen
- Birbaumer, Niels / Schmidt, Robert F.: Biologische Psychologie. 7. Auflage. 2010.
- Barrett, Lisa Feldman: Seven and a Half Lessons About the Brain. 2021.